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Melanchthonkirche

Die Melanchthonkirche (1911/12-1913)

Die Gemeinde Wiemelhausen und das Ehrenfeld besaßen traditionell eine besondere Bedeutung für die evangelische Kirche in Bochum. Die Familie von Schell hatte bereits im 16. Jahrhundert Kirchenräte gestellt, und Jürgen von Schell soll während seines Studiums in Wittenberg Kontakte zu Martin Luther und seinem Freund Philipp Melanchthon gehabt haben (siehe auch den Text über die Familie von Schell). Vom Ostermannschen Hof stammten die ersten lutherischen Pfarrer Bochums, Johann Ostermann, der Erbauer der Pauluskirche, und sein Sohn Johann Konrad.

Nachdem 1874 aus der größeren lutherischen und der kleineren reformierten Gemeinde die Kirchengemeinde Bochum entstanden war, dauerte es noch bis 1892, bis Wiemelhausen eine eigene Pfarrstelle erhielt. Die von der Bochumer Grenze bis zum Lottental reichende Landgemeinde zeichnete sich durch eine kleinteilige Siedlungsstruktur ohne eigentliches Zentrum aus und besaß zu diesem Zeitpunkt nur den 1883 an der Wasserstraße angelegten Friedhof sowie ein kurz darauf eingerichtetes Bethaus an der Ecke Wasserstraße/Wiemelhauser Straße (heute Haus Vocke). Die mit Heinrich Althüser besetzte Pfarrstelle sollte eine vorbereitende Funktion für die Bildung einer eigenen Gemeinde und den Bau einer Kirche haben, doch verzögerte sich diese Entwicklung aufgrund diverser Streitigkeiten noch mehrere Jahre. Viele Einwohner Wiemelhausens standen Althüser ablehnend gegenüber und weigerten sich gegen eine Auspfarrung aus der Altstadtgemeinde, die sich wiederum nicht schlüssig über den Grenzverlauf zwischen der alten der neuen Gemeinde war. So konnte die evangelische Kirchengemeinde Wiemelhausen mit einer Grenze an der Hattinger Straße und der Oskar-Hoffmann-Straße erst zum 1. Mai 1900 eingerichtet werden. Die Abfindung der Altstadtgemeine wurde von einem 1899 gegründeten Kirchenbauverein genutzt, um 1903 im Zentrum Wiemelhausens die Petrikirche zu errichten.

Mit dem Anwachsen des neuen Ehrenfelds wuchs auch hier der Bedarf nach einer eigenen Kirche. Nachdem Clemens Erlemann der Gemeinde – wahrscheinlich einer Vorgabe von Otto von Schell folgend – ein Baugrundstück geschenkt hatte, wurde 1906 der Kirchenbauverein Rechenerfeld gegründet. Die Bauplanung verzögerte sich jedoch bis 1911, da die Gemeinde gerade mit großen Mühen den Bau der Petrikirche finanziert hatte und für einen zweiten Kirchenbau innerhalb derart kurzer Zeit keine Mittel vorhanden waren. Erst durch massiven Druck der rasant wachsenden Anzahl Ehrenfelder Gemeindemitglieder – bereits 1908 war die Gemeinde aus diesem Grund in zwei Pfarrbezirke geteilt worden – wurde nun der Beschluss gefasst, auch im Ehrenfeld eine Kirche zu bauen. Ausschlaggebend waren hier wohl auch terminliche Zwänge, denn Erlemann hatte seine Schenkung an die Bedingung geknüpft, vor dem 1. Januar 1912 mit den Arbeiten zu beginnen. Ansonsten wäre das Grundstück an den Schenker zurückgefallen. Die nach Vorbild einer bestehenden Velberter Kirche durch die Architekten Krieger (Düsseldorf) und Hudlet (Essen) erbaute Kirche sollte ursprünglich Himmelfahrtskirche heißen, wurde dann aber in Ergänzung zur 1911 am Stadtpark entstandenen Lutherkirche Melanchthonkirche genannt. Nach dem ersten Spatenstich Ende Dezember 1911 folgte am Himmelfahrtstag 1912 die Grundsteinlegung und nach nur rund 18monatiger Bauzeit am 2. November 1913 die Einweihung des Komplexes mit Konfirmandensaal und Pfarrhaus.

Es fehlte jedoch noch ein Gemeindehaus. Althüsers Pläne, gemeinsam mit der Altstadtgemeinde ein größeres Gebäude mit Sozialeinrichtungen und Hospiz zu errichten, zerschlugen sich jedoch aus nicht bekannten Gründen, sodass der bereits erworbene Bauplatz an der Königsallee wieder verkauft wurde. Ebenfalls unausgeführt blieb das Vorhaben, an der oberen Königsallee ein gemeinsames Haus für die Melanchthon- und die Petrigemeinde zu bauen. Ende der 1920er-Jahre folgte der Beschluss, mit großem Aufwand zwei Häuser auszuführen. Nachdem die Petrigemeinde am 20. Juli 1930 das Paul-Gerhardt-Haus eingeweiht hatte, folgte am 30. November des Jahres das Ernst-Moritz-Arndt-Haus der Melanchthongemeinde.

Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten kam es zu einem Riss innerhalb der Kirchengemeinde. Die Kirchenwahlen im Sommer 1933 endeten in Wiemelhausen mit einem Erdrutschsieg der Deutschen Christen, einer völkischen, rassistischen, antisemitischen und am Führerprinzip orientierten Strömung innerhalb des deutschen Protestantismus, die auf eine Anpassung der Kirchenstrukturen an die nationalsozialistische Ideologie hinarbeitete. Sie erreichten annähernd 80 % der abgegebenen Stimmen und majorisierte damit in den folgenden Jahren die den traditionellen Zielen verbundene Liste „Evangelium und Kirche“ in den Gemeindegremien. Es kam zu regelmäßigen Auseinandersetzungen beider Gruppen, die, von Beschwerden und Amtsenthebungsverfahren beim Oberkirchenrat, Hausverboten und Repressalien geprägt, mit einer weiteren Zurückdrängung der schwächeren Liste endeten. Zu einer Spaltung der Kirchengemeinde wie in vielen anderen Städten ist jedoch nicht gekommen.

Die Melanchthon-Kirche wurde bereits beim ersten großen Luftangriff auf Bochum in der Nacht vom 13. auf den 14. Mai 1943 so schwer getroffen, dass sie nicht mehr benutzbar war. Das komplette Dach war samt Sparrenwerk abgedeckt, alle Türen und Fenster herausgerissen und auch die Stahlbinderkonstruktion beschädigt. Am Turm fehlten ebenfalls das Dach und große Teile der Schieferverkleidung. Das Kircheninnere war damit weitgehend der Witterung ausgesetzt. Feuchtigkeit und Frost sorgten für weitere Schäden an Mauerwerk und Putz. 1948 waren Holzfußböden, Holzvertäfelungen und die Holzkonstruktion des Turmhelms durch Fäulnis so stark angegriffen, dass Einsturzgefahr bestand. Das Presbyterium fasste sogar den Beschluss, den Turm abzubrechen und mit dem gewonnenen Material das Kirchendach zu decken, erhielt dazu vom städtischen Bauamt allerdings keine Genehmigung.

Als Notkirche diente der Gemeinde ab Sommer 1943 zunächst das Ernst-Moritz-Arndt-Haus, bis auch dieses am 4. November 1944 wie das Pfarrhaus weitgehend zerstört wurde. Nach dem Krieg begannen die Wiederaufbauarbeiten zunächst vor allem an der Petrikirche, sodass die Melanchthonkirche zurückstehen musste. Ab 1945 wurde eine kleine Notkapelle unterhalb der Orgelempore, die sich bis dahin nicht wie heute hinter, sondern wie der Altarraum vor den Gemeindemitgliedern befand, eingerichtet und 1947 erweitert. Erst danach folgten Sicherungsarbeiten am Kirchendach und die Rekonstruktion des Turms sowie die Neukonzeption des Kircheninneren. Da der Mangel an Geld und Baumaterialien den Wiederaufbau des Ernst-Moritz-Arndt-Hauses zu dieser Zeit in weite Ferne rücken ließ, ein Gemeindezentrum aber ebenfalls dringend benötigt wurde, entstand der Plan eines zweigeschossigen Ausbaus der Kirche. In Höhe der Empore sollte eine Zwischendecke eingezogen werden, unter der der Gemeindesaal Platz gefunden hätte. In der ersten Etage wäre dann der eigentliche Gottesdienstraum verwirklicht worden. Nach der Währungsreform wurden diese Pläne aufgrund der verbesserten wirtschaftlichen Lage jedoch fallen gelassen. Am 7. Mai 1950 wurde die neue Melanchthonkirche feierlich eingeweiht.

Dietmar Bleidick


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